GEDANKEN

Zeit des Kinderlachens, Zeit der Stille – Gedanken über „Kinder-Lärm“

Es ist morgens 6 Uhr in unserer Villa Kunterbunt. Es rappelt und scheppert plötzlich lauthals. Ein ohrenbetäubender Lärm durchdringt mich im Halbschlaf. Mein großes Räuberkind schreit, little E. weint – und ich stampfe nach oben ins Kinderzimmer. Der kleine ist im Dunklen über ein Legogebilde des Großen gestolpert und hat sich wehgetan, der Ältere ist sauer weil das Projekt an dem er seid Tagen baut kaputt ist. Ich tröste beide – aber keiner beruhigt sich. Es ist laut, so unsagbar laut.

Den ganzen Tag rennen die Jungs durch die Wohnung. Sie trampeln, sie tanzen, springen. Sie krabbeln mit einem irrsinnigen Krach durchs Wohnzimmer und ahmen dabei afrikanische Wildtiere nach. Wenn ich „schief schaue“ und es doch einer der beiden bemerkt, fragen sie: „Mama, was ist denn? Ich bin ein Löwe – hörst du nicht richtig? Rhhhhhhhhaaar!“

Es ist laut, so unsagbar laut.

Aus dem Kinderzimmer klingt Musik – Kinderlieder, Hörspiele – sie lieben es wenn Musik laut ist. Sie jubeln & klatschen, sie springen in die Luft. Im Wohnzimmer beäuge ich kritisch die Wohnzimmerlampe und hoffe das die Dübel halten. Mein Mann & Ich versuchen uns zu unterhalten, doch unser derzeit meistgesagtester Satz, ist zur Zeit: „Warte mal bitte, ich verstehe wirklich kein Wort!“ . Wisst ihr, ich bin wirklich froh über unsere Villa Kunterbunt – und auch wenn es hier verdammt hellhörig ist, zumindest wohnt unter oder über uns niemand mehr. Mietern denen die Jungs dann quasi auf den Köpfen herumspringen würden. Wir haben keinen Ärger mit Mietern, die sich von unseren Kindern gestört fühlen, keine Konflikte weil es zu laut ist. Es sind einfach nur wir Eltern die davon manchmal genervt sind, wir die sich etwas Stille sehnen.

Der heutige Tag hat noch gute zwei Stunden. Nach einer wilden Zubettgeh-Orgie im Kinderzimmer schlafen die Kinder. Ein wundervoller Moment der Stille, denn ich oft ganz bewusst genieße. Ja, ich bleibe häufig noch einen Moment länger im Bett meiner Jungs liegen, und höre auf ihre leisen, gleichmäßigen Atemzüge. Ruhe – das tut so gut.

Im Wohnzimmer ist es ruhig. Es läuft noch kein Fernseher. Kein Radio tudelt vor sich hin. Der Liebste sitzt neben mir. Wir reden nicht. Alles ist ruhig. So ruhig wie es das letzte mal gestern Abend war. Ungefähr zur selben Zeit – die gleiche Stille. Ich weiß, dass es meinen Kindern gut geht. Das sie friedlich und geborgen schlafen, ich bin dankbar für die Sicherheit die mir das Babyphone gibt, und die Gewissheit das ich in nicht einmal 10 Schritten bei Ihnen bin. Ich bin dankbar für diese kurze Zeit der Ruhe.

Und doch, so richtig genießen kann ich sie nicht. Denn irgendwann ist er da, der Moment an dem die Stille dann mit voller Kraft auf meine Brust drückt. Sie tut fast ein bisschen weh, und will mir sagen: „Hej, alles in Ordnung?“ Früher kannte ich dieses Gefühl nicht, früher war die Stille anders. Fast muss ich sagen, mir war der Wert der Stille gar nicht klar. Früher, (damit meine ich vor den Kindern) bedeutete Stille Langeweile. Heute weckt die Stille eine gewisse Unruhe in mir. Bedeutet Stille, gerade wenn man mit Kindern zusammen lebt, nicht auch für euch oft Gefahr, oder kleiner bis großer „Unfug“ !? (Sind dann nicht auch bei euch immer die Zimmerwände bunter? Die Bücher in ihrer Seitenzahl nicht mehr komplett, oder eine neue Frisur für das Kuscheltier!?) Und am Abend bzw. in der Nacht wird die Steinzeit-Mama aktiv, die ihr Kind vor jeglicher Gefahr schützen will.

So sehr ich mich also auch nach Ruhe sehne, wirklich genießen kann ich sie nicht. Die Stille am Tag schon lange ausgezogen. Eigentlich seit ziemlich genau dem Tag, an dem das große Kind in unser Leben einzog. Wurde, von Monat zu Monat weniger, und erreichte ihren Tiefpunkt, als little E. laufen, und seine Stimme kennenlernte.

Gemeinsam sind wir am lautesten, so das Motto hier seitdem.

In den wenigen Momenten in denen uns die Stille einen kurzen Besuch abstattet, gibt sie sich nicht als die Selbe: Sie ist nicht mehr die entspannte, ruhige, gelassene Stille. Die Stille ohne Hintergedanken und ohne Sorgen. Sie ist nicht mehr die, die man einfach so genießen kann, obwohl man es doch so gerne würde.

Und wenn wir sie dann irgendwann in vielen Jahren zurück haben, die gute, alte Bekannte Stille. Was bringt sie uns dann? Vermutlich ein Haus ohne Kindergeschrei, ohne Lärm, ohne dröhnende Ohren und wackelnde Decken. Aber auch eines ohne Küsschen & Umarmungen von diesen kleinen, wunderbaren Wesen, die täglich so viel Liebe, Glück und ihr ganz eigenes Temperament (wenn wir sie lassen!) in unser Leben bringen.

 Dann ist sie da die Stille…

Aber es ist es dann eine Stille des Vermissens, oder können wir sie dann auch wirklich genießen? Ich kann nur von mir sprechen, aber ich glaube ich kann diese Stille, die irgendwann hier in der Villa Kunterbunt wieder einziehen wird nur genießen, wenn ich die Stille ein paar Jahre habe ziehen lassen. Wenn ich die lauten und tubulenten Jahre, die mit den Kindern in unserer Familie eingezogen sind, angenommen habe. Wenn ich den Kinder-Lärm, die Lautstärke, den Krach, aber auch das Kinderlachen, den Spaß, die hochroten, verschwitzen, süßen Gesichter, die wackelnden Decken, die knallenden Türen, die lauten Wut-und Trotzphasen und den Geschwisterstreit annehmen und vielleicht sogar genießen kann.

Aber Kinder sind nicht leise. Kinder haben Temperament, sie können nicht leiser laufen. Sie können sich nicht zügeln, nur weil wir es von ihnen verlangen. Kinder haben Bedürfnisse, Kinder wollen sich bewegen, sich austoben, sich erproben. Kleine Wohnungen bieten da oftmals zu wenig Spielraum. Deshalb ist es umso wichtiger, dass wir Orte & Zeiten schaffen – zum bewegen, zum laut sein dürfen, zum hüpfen und trampeln wie die Elefanten. Zum Spielen, zum Lachen, zum Streiten und schimpfen. Das wir ihnen ermöglichen in der Natur, im Freien sein zu können. Das wir ihnen Zeiten einräumen, was vorallem dann Sinn macht, wenn sie kurz darauf wieder leise(r) sein sollen bzw. müssen. (Das Spiel: „Wer kann am lautesten Schreien, Tanzen, wackeln, quietschen! – “ klappt bei uns besonders gut, vor Restaurantbesuchen, vor dem Großeinkauf am Wochenende, Telefongesprächen etc.) Vor dem Zubettgehen sich nochmal austoben können, bevor es mit Liedern & Geschichten wieder ruhiger werden darf. Oder eben wenn Mama mal ein paar Minuten Ruhe braucht. Denn auch wir dürfen uns Zeiten einräumen. In Ruhe eine Tasse Kaffee trinken, duschen, ein Buch lesen, sich unterhalten. Mal einen Moment tagträumen, Kräfte sammeln. Wir müssen dafür nur die Rahmenbedingungen schaffen.

Denn es ist immer das Zusammenspiel von leisen & lauten Tönen und Momenten, die ein harmonisches Miteinander ausmacht. Und jetzt hört doch alle, für einen Moment euren Kindern beim lautstarken Lachen zu (falls das gerade nicht klappt, bringt sie zum Lachen!) und genießt…

Ich mache das jetzt auch, denn ich weiß, die Zeit vergeht schneller als mir lieb ist, und dann wird es still in der Villa Kunterbunt…






												

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