GEDANKEN

Attachment Parenting – kein Trend sondern das Natürlichste der Welt

Liebe Caroline,

Heute morgen las ich deinen Artikel aus „der Zeit“. „Eltern, gebt euch selbst nicht auf“, so lautete deine Überschrift und damit setzt du ein großes und wichtiges Statement! Du hast Recht und hätte ich nur diesen Satz gelesen, hätte ich mir am heutigen Tag viele Gedanken darum gemacht, wie ich mir selbst ein paar Freiräume schaufeln kann. Aber ich habe deinen Artikel zu Ende gelesen und so kreisten sich meine Gedanken heute nicht darum, ob und wie ich heute Abend noch ein bisschen zum Lesen meines neuen Buches komme, sondern um diesen Blogbeitrag. Sie kreisen sich um die Sätze die du schreibst, um die Botschaft die du mit deinem Artikel in die Welt hinaus trägst. Ich denke darüber nach, ob ich einen Artikel dazu schreiben soll, oder ob ich es doch lieber bleiben lasse. Ob auch ich eine Botschaft in die Welt tragen möchte. Relativ schnell war meine Entscheidung klar, liebe Caroline, ich kann und möchte das so nicht stehen lassen, möchte das Bild das du jungen Eltern über Attachment Parenting vermittelst irgendwie gerade rücken. Denn eins ist „AP“ sicherlich nicht: Attachment Parenting ist kein Mode-Trend, der aus den USA zu uns „herübergeflutscht“ ist.  Attachment Parenting ist auch kein „ökemöke“ und „hippie-dingens“, kein alternativer Stil, mit dem man wohl am besten in Berlin | Prenzlauer Berg aufgehoben ist.  Und nein, AP ist auch nicht der sicherste Weg in die Selbstaufgabe und einer Unterwerfung des eigenen „Ichs“.

„Attachment Parenting ist und bleibt die natürlichste Form von Erziehung und Beziehung.“

Und würden wir alle ein bisschen mehr auf unser Herz und unser Bauchgefühl hören, dann gibt es meiner Meinung nach gar keine Alternative. Du schreibst über Tragetuch statt Kinderwagen, über Stillen, von ätherischen Ölen, Babymassagen und Fremdbetreuung, von Impfungen und gemeinsamen Schlafen. Für mich hört sich das sehr nach festen Regeln und Mustern an und während ich das lese, kann ich mir gut vorstellen, das du dich „gefangen“ gefühlt hast. Doch niemand, weder das Ehepaar Sears, noch die vielen Frauen die sich hierzulande für geborgenes Aufwachsen einsetzen (Susanne Mierau, Nora Imlau oder Nicola Schmidt und Julia Dibbern), haben jemals geäußert, dass jeder der diesen „bindungsorientierten“ Ansatz wählt, sich selbst aufgeben soll. Vielmehr wird immer wieder geschrieben und darüber gesprochen, wie wichtig Selbstfürsorge ist. Egal, welchen „Weg“ man einschlägt.

Die Eckpfeiler des bindungsorientierten Ansatzes sollen vielmehr auch ein Schutz sein.  Ein Tragetuch zum Beispiel, kann toll unterstützen und Eltern genau vor dieser Selbstaufgabe, über die du schreibst, schützen. Ich weiß noch ziemlich gut, wie ich völlig fertig meinen Neugeborenen Sohn durch die Gegend trug, ich nicht mehr wusste wie ich stehen sollte, die Wohnung so schlimm aussah wie noch nie und an Schlaf gar nicht zu denken war. Das Tragetuch war meine Rettung! Genau wie das Familienbett, welches es mir möglich machte, Nachts nicht stundenlang am Bett meiner Söhne zu sitzen, sondern zumindest im Bett zu ruhen und am morgen deutlich erholter aufzuwachen.

Liebe Caroline, jedes Kind hat bestimmte Bedürfnisse. Im Babyalter sind das vorallem Nahrung, Liebe und ein sicherer Schlafplatz. Mit den Jahren kommen natürlich ein paar Bedürfnisse dazu, und selbstverständlich haben auch wir als Eltern einen gut gefüllten Korb, an Wünschen und Bedürfnissen. Bei mir sind das zum Beispiel Ausreichend Schlaf, gutes Essen (gerne auch aus dem Bio-Supermarkt!), am Abend mal ein Stündchen mit dem Partner und ein Stündchen für mich. Und ja, liebe Caroline, mein Beruf, meine Selbstständigkeit und meine Arbeit sind mir wichtig, genau wie für dich. Und weißt du, welch‘ großes Glück ich doch habe? Ich lebe in einer Familie die meine Bedürfnisse wahrnimmt und sieht, die mich darin bestärkt, mir Wege aufzeigt, mich unterstützt und mir auch gerne dabei hilft diese zu erfüllen! Genauso wie ich die Wünsche und Bedürfnisse meines Mannes sehe und als wichtig erachte. Das ist Partnerschaft! Beim AP geht es darum, dass wir die Signale von unserem Kind wahrnehmen und darauf reagieren – das natürlichste überhaupt, oder?

Es gibt kein Patentrezept, kein Wundermittel, nicht den einen richtigen „Zauber“! Denn liebe Caroline, dieses ganze Attachment-Parenting-Dingens ist kein kompliziertes  Hexenwerk, dass uns zum verzweifeln bringen muss. Das uns keine Luft zum Atmen lässt und den maximalen Frust erzeugt. AP ist das was dein Instinkt dir zurufen würde, dein Bauchgefühl, welches dir den richtigen Weg für dein Kind, für deine Familie und für dich aufzeigen würde. Aber ich bin ganz bei dir, manchmal ist genau diese innere Stimme, schon sehr leise geworden und wird von den vielen Theorien, Erziehungskonzepten, von Medien und den vielen Ratschlägen verschiedenster Münder, nahezu überschallt.

Liebe Caroline, ich wünsche dir von ganzem Herzen, dass du den richtigen Weg für dein Kind findest, für deine Familie und natürlich auch für dich. Ein Kind zu bekommen, bedeutet ein Stück weit Selbstaufgabe. Das Leben verändert sich (aber das tut es auch ohne den Einfluss von Kindern!). Aus 10 Stunden erholsamen Schlaf, werden vielleicht drei oder vier Stunden Schlaf, aber hey, das haben wir vorher gewusst! Genauso wie mir klar war, das Reisepläne erstmal nach hinten verschoben werden und mir mein Kind ganz klar, wichtiger ist, als Selbstverwirklichung im Job! Und auch wenn man den Job für ein Kind nicht aufgeben möchte, gibt es viele, viele Möglichkeiten ein Kind liebevoll an diese neue Lebenssituation zu gewöhnen – wir müssen uns vielleicht einfach nur ein paar mehr Gedanken darum machen.

Liebe Caroline, keine Mutter gleicht der anderen. Kein Kind gleicht einem anderen Kind. Was für den einen die Lösung ist, ist für den anderen, gerade wenn man es zu perfektionistisch angeht, der sicherste Weg in die Selbstaufgabe, und endet in Frust und deinem beschriebenen Katastrophenmodus. Stillen, Tragen, Familienbett oder der Werdegang von der Karrierefrau zur Hausfrau macht keinen besseren Menschen aus uns, ebenso wenig wie eine bessere Mutter. Eine komplette Symbiose mit seinem Kind einzugehen ist nicht der Sinn von Attachment Parenting! Und ob mein Kind 6 Monate gestillt wurde, oder 2 Jahre, oder eben gar nicht, weil das stillen zu sehr schmerzte – nichts davon macht eine bessere oder schlechtere Mutter aus mir. Alle Familienmitglieder schlafen in getrennten Betten bessser – natürlich, keine Frage, dann lassen wir das mit dem Familienbett! Es passen nicht alle Eckpfeiler des AP’s auf jede Familie, auf jedes Kind, auf jede Mutter. Wichtig ist nur, mit offenen Augen zu schauen und immer wieder neu zu reflektieren wie es allen Familienmitgliedern gut geht. W

Ich glaube ganz fest daran, dass es niemals falsch ist,  die Bedürfnisse des eigenen Kindes zu erfüllen, ganz egal was seine Bedürfnisse auch sein mögen. Liebe, Nähe, Verständniss und das Gefühl von Geborgenheit und gegenseitigem Respekt kann man niemals zu viel geben! Und ja liebe Caroline, du hast Recht, dazu gehört es auch, dass ich für meine eigenen Bedürfnisse und Wünsche einstehe und diese auch meinen Kindern aufzeige. Aber vielleicht sollten wir dabei das Alter des Kindes berücksichtigen, denn ganz ehrlich, Caroline, für alles im Leben gibt es eine Zeit. Und nach einer Durststrecke (in der wir jede gute Hilfe annehmen sollten, die wir bekommen können!) gibt es auch wieder eine Zeit in der wir unsere eigenen Bedürfnisse wieder mehr Beachtung schenken können!

Attachment Parenting jedenfalls, ist nicht der Grund für Erschöpfung, Selbstaufgabe und Aufopferung einer Mutter! Vielmehr sind es gesellschaftliche und soziale Umstände und auch ein bisschen der eigene Perfektionismus!

Lass es dir gut gehen, liebe Caroline!
Dir und deinem Kind!

2 Kommentare zu “Attachment Parenting – kein Trend sondern das Natürlichste der Welt

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