Simon und ich, wir kennen uns fast auf den Tag genau: 18 Jahre. Und während ich euch diese Zeilen schreibe, bin ich noch immer erstaunt über diese Zahl. Ich bin 34 Jahre alt, mein Mann 36, somit kenne ich den Mann an meiner Seite schon mein halbes Leben. Wir waren auf beide auf dem Geburtstag eines gemeinsamen Freundes eingeladen, und es dauerte nicht lange bis aus den anfangs zurückhaltenden Blicken immer mehr wurde. Ich war naiv, neugierig, und redete gleich von der großen Liebe. Er, zwei Jahre älter, wollte Sex – und freute sich, dass ich auf seine Berührungen, seine Komplimente einging. Keine zwei Stunden später, hatte ich mein erstes Mal mit ihm. Im Auto, auf der Rücksitzbank – leidenschaftlich, zärtlich und ja, tatsächlich schöner als wohl die meisten meiner damaligen Freundinnen es mir erzählten.
Wir trafen uns täglich, und wir hatten täglich Sex. Monate ging das so, wir probierten viele unterschiedliche Fantasien aus, taten es zu den unmöglichsten Uhrzeiten, an den verrücktesten Orten. Und doch waren wir nie mehr für den jeweils anderen. Zumindest nicht offiziell, denn natürlich redeten wir nach dem Sex miteinander. Seltener vor dem Sex, aber es gab natürlich auch mal das ein oder andere Abendessen, ein oder zwei Kinobesuche, und die ein oder andere Party. Dann ging Simon für ein Jahr in die USA um dort zu studieren, und für mich brach eine Welt zusammen. Ich spürte, dass es mir nicht nur um Sex ging, ich spürte das es deutlich mehr gemeinsamkeiten zwischen uns gab. Es gab da eben doch ein WIR – nicht nur Lust und Gier nach gutem Sex.
Auch wenn er etwas länger brauchte, nach einem guten halben Jahr Funkstille piepte eines Tages mein Handy: „Du fehlst mir. Nicht nur deine Berrührungen – sondern DU!“ Zwei Tage später flog ich zu ihm und das erste mal seit fast drei Jahren redeten wir die ganze Nacht. Wir hatten in dieser Nacht keinen Sex, in der nächsten und übernächsten Nacht übrigends auch nicht. Wir redeten, lernten uns kennen, sprachen offen über uns, und unsere Gefühle. Wir rutschten zusammen, wir genossen die Nähe, die Anwesenheit des Anderen und wurden uns klar, dass wir nicht mehr ohne den anderen sein wollen. Zwei Jahre blieben wir letztlich in den USA, gemeinsam. Wir zogen zusammen, ich machte meinen Master, und wurde schwanger.
Zusammen gingen wir zurück nach Deutschland, zurück zu unseren Familien, in unsere Heimat. Wir waren glücklich, so glücklich. Dieser kleiner Mensch, der da in meinem Bauch heranwuchs sollte unser Glück perfekt machen. Ich hatte eine Traumgeburt, keine 2 Stunden und unsere Tochter war da. Wir zogen in unser hübsches Häuschen am Stadtrand, ich ging in meiner Rolle als Mutter & Hausfrau auf. Wir hatten viele Freunde, wir feierten Gartenpartys, fuhren häufig in den Urlaub, es gab keine Geldsorgen. Und doch merkte ich wie unsere Beziehung litt.
Zu Beginn wusste ich gar nicht wieso, schließlich hatten wir doch alles. Wir waren glücklich. Zumindest nahm ich das an. Mein Mann kam immer später nach Hause, arbeitete viel. Irgendwann ahnte ich es: Er hatte eine andere. Ich warf ihm noch am gleichen Abend meine Vermutungen an den Kopf. Er hörte zu, war ganz ruhig und sagte traurig: „Miri, du hast Recht. Wir haben alles was wir brauchen: Alles außer Sex! Fällt dir das gar nicht auf?“ Ich war wie vor den Kopf gestoßen. SEX? Mein Gott, wie alt war unsere Tochter? Mittlerweile fast 2! In der ganzen Zeit, in diesen vielen Monaten, hatten wir vermutlicht nicht häufiger als 3-4x Sex. WIR! Die, die früher die Nächte zu Tagen gemacht haben…
Es gab keinen Grund dafür. Ich weiß von Freundinnen das sie sich nach der Geburt nicht attraktiv genug fühlten. Ich war zufrieden, mochte mich und meinen Körper. Klar, die Zeit dafür war knapp, aber auch darauf mochte ich es nicht schieben, schließlich liegen wir jeden Abend gemeinsam im Bett. Mein Mann hatte Recht:
Wir hatten alles, aber ich hatte die Lust am Sex verloren.
Die nächsten Wochen widtmeten wir der Suche nach der Lust. Ich shoppte in Online, kaufte mir neue Dessous, Spielzeug. Ich befriedigte mich wieder selbst, wollte mich und meinen Körper neu entdecken, erfahren was mir Lust bereitet und was eher nicht. Wir schliefen wieder miteinander, aber der Sex war nicht mehr das was er früher war. Wir gingen zu einer Sexualtherapeutin, sprachen das Thema dort offen an. Sie hörte zu, emfohl uns mehr miteinder zu reden, was uns allerdings rein gar nichts half, denn wir redeten darüber. Wir gehörten nicht zu den Paaren, die dieses Thema zu einem Tabuthema werden liesen. Er sprach offen an, auf was er Lust hätte. Doch immer wenn er mich fragte, starrte ich an die Decke, genau das war es ja. Es gab nichts was mich so richtig heiß machte. Es war, als hätten wir schon uns zu Beginn unserer Beziehung jede Fantasie ausgelebt. Es gab nicht’s was mich reizte. Selbst Pornos (übrigends die nächste schlaue Idee der Sexualtherapeutin) brachten nicht den gewünschten Erfolg.
Wie gesagt, versteht mich nicht falsch. Wir hatten zumindest wieder Sex, aber Lust hatte ich einfach keine. Ich würde sogar sagen, ich musste mich zwingen. Tat es nur, um meinen Mann wieder vor Fehltritten abzuhalten: „Wenn er mit mir Sex hat, hat er ihn schon nicht mit einer anderen Frau!“
Die Situation belastete. Nicht nur mich, auch meinen Mann, dem es natürlich auffiel das ich einfach keinen Spaß hatte. Alleine, machte ich noch einen Termin bei einer Therapeutin. Dieses mal, ohne meinen Mann. Ich dachte, neue Therapeutin, neues Glück, und schließlich war es ja auch mehr oder weniger mein eigenes Problem. Schließlich hatte ich keine Lust mehr auf Sex. Der Termin lief gut, ich schöpfte schnell Vertrauen. Konnte viel offener mit ihr sprechen. Als ich ihr von einer absurden Fantasie erzählte, ich ich vor vielen Jahren einmal hatte, schaute sie mich lächelnd an, und es fiel ein Satz der mir mein Leben lang im Gedächtnis bleiben wird:
„Es gibt keine Regeln für alle. Findet eure eigenen!“
Ich mache es kurz. Es gab da eine Fantasie die immer mal wieder in meinem Kopf auftauchte. Eine Fantasie die ich schon hatte, als ich Simon noch nicht einmal kannte: Sex mit einer anderen Frau. Vielleicht scheiden sich jetzt die Geister. Die einen sagen: „Ja und? Was ist daran schlimm?“ und die anderen erklären mich für bekloppt. Bei dieser Fantasie ging es mir aber gar nicht darum, selbst mit dieser Frau intim zu werden. Vielmehr verspürte ich Lust danach, meinem Mann, beim Sex mit einer fremden Frau zu beobachten. Völlig verrückt -ich weiß. Diese Fantasie war für mich selbst so absurd, dass ich sie einfach für mich behielt. Ein totaler Regelbruch, ein Tabu, welches man einfach nicht anspricht.
Und doch machte die Therapeutin mir mit ihrem Satz Mut es anzusprechen. Zumindest bei meinem Mann, um herauszufinden ob es für ihn überhaupt ein Tabu wäre. Und das war es tatsächlich, er fand die Fantasie schräg. Konnte sich gar nicht damit anfreunden, und versuchte mir sie wieder auszureden. Er verstand nicht, was mir daran gefallen würde. Wie kann es einer Frau gefallen, ihren Mann dabei zu beobachten, während er …
Und trotzdem, ein viertel Jahr später definierten wir unsere eigenen Regeln neu. Wir buchten uns auf einer Dating-Seite eine Dame, die uns ein paar Tage später besuchte. Wir erzählten ihr natürlich vorab von meiner Fantasie, und sie war neugierig. Ich kochte, wir redeten und essen gemeinsam zu Abend. Wir lachten, erzählten uns aus unserem Leben, und tranken Wein. Ich war so aufgeregt wie noch nie in meinem Leben. Dann passierte genau das, was ich mir seit Jahren vorstellte. Mein Mann und die damals so fremde Frau, Hannah wurden intim. Sie küssten sich, streichelten sich und mich kickte das total. Das erste mal seit langem verspürte ich wieder Lust. Richtige Lust, keine Vorgetäuschte Lust. Ich konnte mich kaum halten.
Die beiden hatten Sex und ich schaute ihnen dabei zu.
Als sie ging, schwiegen wir. Mein Mann ging duschen. Ich zog mich aus und wartete das er zu mir ins Bett kam. Dann hatten wir Sex – guten Sex. Vermutlich den besten den wir je hatten. Besser als alles, was wir früher gemeinsam erlebten, und das empfand auch mein Mann so.
Hannah besucht uns jetzt regelmäßig. Keiner weiß davon. Manchmal tauschen Hannah und ich Zärtlichkeiten aus, aber eigentlich kommt sie nur vorbei um mit meinem Mann zu schlafen. Zwei Gründe: Weil es mir unglaubliche Lust macht, und auch weil wir dann wieder wochenlang guten Sex haben. Hannah bereichert unsere Intimität und unseren Sex. Sie macht mir enorme Lust. So viel, dass ich wenn sie wieder geht, gar nicht genug von meinem Mann bekomme.
Warum ich das unbedingt für euch aufschreiben wollte?
Weil vielleicht auch ihr eure eigenen Regeln finden solltet? Weil ihr euch bewusst für guten und häufigen Sex entscheiden könnt, wenn ihr eure Fantasien ansprecht. Offen und ehrlich – ohne euch selbst ein vermeintliches Tabu aufzuerlegen! Weil vielleicht genau diese eine Fantasie, die ihr für euch behaltet, weil ihr Hemmungen habt, sie eurem Partner zu erzählen, DIE eine sein kann, die alles wieder ins Rollen bringen kann. Die eure Lust wieder neu entfachen kann, euren Sex wieder besser macht. Ich bin sicher, es gibt die unterschiedlichsten Fantasien, die unterschiedlichsten und für euch vielleicht schrägsten, verrücktesten und seltsamsten Fantasien. Aber mal ehrlich für immer schweigen, oder den Versuch starten diese eine (oder vielleicht sind es auch zwei, drei unterschiedliche) Fantasie/n auszuleben und damit alles verändern. Soll sagen: Erlegt euch selbst keine Regeln auf. Erfindet eure Sexualität neu, indem ihr ansprecht was euch anmacht!
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