GEBURT GEDANKEN

Ein „Brief“ an meine Großeltern

Hallo Oma, Hallo Opa,

Da bin ich!

So lange habt ihr auf mich gewartet, euch so lange auf mich gefreut.  Ich bin sicher, ihr konntet es kaum abwarten mich endlich zu sehen. Viele Gefühle haben sich in euch breit gemacht. Ängste, Sorgen, Glück, Aufregung und Vorfreude – dass alles habt ihr ganz intensiv gefühlt. Und nun bin ich da, und ihr seid jetzt nicht nur Mama & Papa sondern auch Oma & Opa. Bis ich euch das erste mal mit tappsigen Schritten entgegenlaufe und laut „Oma“ oder „Opa“ rufe, wird es noch einige Zeit dauern. Und trotzdem, seid ihr schon jetzt ein großer Teil meiner kleinen Welt.

Eure Stimmen kenne ich schon lange, denn ich habe ihnen oft in Mamas Bauch gelauscht. Ihr seid mir schon jetzt sehr vertraut und ich bin sicher wir werden ein ganz prima Team. Wir werden durch den Garten toben, Kissenschlachten machen, Abenteuer erleben und ich habe gehört, Oma, du verwöhnst die ganze Familie mit dem leckersten Essen – da freue ich mich drauf!

Aber vorerst habe ich ganz andere Bedürfnisse, von denen ich euch heute erzählen möchte. Schließlich ist es ja doch schon ein paar Jahre her, seit ihr Mama/Papa in die Welt geschaukelt habt. Die Sorgen und Ängste die man als „frischgeborene Mutter“ hat, hast du liebe Oma sicher schon längst vergessen. Und doch, hoffe ich dass euch meine Geburt wieder ein Stück weit in eure eigene Anfangszeit zurückversetzt. Vielleicht erinnert ihr euch an die schlaflosen Nächte, an das kräftezerrende Stillen, die angespannte Schlafsituation. Vielleicht erinnerst du dich Opa, wie unsicher du als junger Papa warst, denn auch du musstest in deine neue Rolle erst hineinwachsen. Ich bin sicher, auch ihr wart unsicher – genau wie meine Mama und mein Papa das gerade sind.

Meine Mama ist durch meine Geburt noch voller Hormone. Manchmal glaube ich sie kann ihr Glück noch gar nicht fassen. Sie weint vor Freude, dann wieder vor Verzweiflung. Alles ist ganz neu für sie, und trotzdem fühlt es sich für mich an, als hätte sie noch nie etwas anderes gemacht. Sie macht das alles so gut, ihre Berührungen sind vorsichtig und zärtlich. Sie ist sicher in dem was sie tut, solange niemand bei uns ist, der ihr über die Schulter schaut, um jede Handlung zu bewerten. Sie hört auf ihr Bauchgefühl, auf ihr Herz, auf ihre innere Stimme, so lange niemand bei uns ist, der versucht Ihre Stimme zu übertönen.

Meine Mama, weiß so gut was ich gerade brauche. Sie kennt mein Schreien und Weinen, sie weiß was mir fehlt. Wenn sie nicht von anderen Dingen abgelenkt wird, reagiert sie schon bei meinen ersten Anzeichen, noch bevor ich überhaupt zu weinen beginne. Ist das nicht toll? Sie schaut nicht auf die Uhr. Nicht beim Stillen, nicht bei den Mahlzeiten. Nicht beim Wickeln, und schon gar nicht beim Kuscheln. Dass finde ich besonders schön, denn in der Nähe meiner Mama/meinen Eltern fühle ich mich am Wohlsten. Nur so bin ich zufrieden, nur so fühle ich mich sicher. Hast du schon davon gehört, dass Säuglinge ganz besonders viel Körperkontakt brauchen?

Und so schlafe ich ganz nah bei Mama & Papa, und nicht in meinem hübschen Kinderzimmer, in dem ich noch so viel Angst habe, wenn ich dort alleine bin. Mama legt mich nicht den ganzen Tag in die Wiege, sondern nimmt mich überall mit hin. Sie wickelt mich in ein Tragetuch und ich kann überall dabei sein. Dort ist es warm und geschützt, und auf Mamas Brust mit ihrem Herzschlag im Ohr, fühle ich mich besonders geborgen. Wenn Mama mich ablegt fühle ich mich meiner Umwelt schutzlos ausgeliefert, ich habe Angst – und Mama hat Angst um mich. Das ist eine Art Urinstinkt der noch ganz tief in uns steckt, weißt du!

Ich kann mir vorstellen, dass ihr vieles anders gemacht habt, und natürlich war das nicht alles schlecht. Fühlt euch nicht persönlich angegriffen, wenn Mama & Papa versuchen euch zu erzählen, warum sie manche Dinge anders machen, wie ihr es damals getan habt. Das ist gar nicht schlimm, freut euch einfach für mich, dass Mama auf ihr ganz eigenes Bauchgefühl hört. Seid stolz darauf, dass ihr eure Kinder zu eigenständigen Erwachsenen erzogen habt, die nicht alles was man ihnen sagt, nachahmen. Sie gehen ihren eigenen Weg, dass ist doch toll!

Mamas Bauchgefühl, von dem ich gerade sprach, dass ist ein Instinkt der jeder Mutter mitgegeben wurde. Aber bis Mama aus diesem zarten Pflänzchen, zunehmend an Sicherheit gewonnen hat, wird noch einige Zeit vergehen. Mama ist durch die Geburt noch sehr verletzbar. Ich glaube Mama braucht gerade sehr viel Zuspruch und Ermutigung. Am schönsten und wertvollsten ist dieser Zuspruch von den Menschen die einem Nahe stehen. Du liebe Oma, stehst deiner (Schwieger)tochter sicherlich jetzt besonders Nahe, und sie braucht deine liebevolle Unterstützung. Sag ihr wie gut sie das alles macht, sag ihr das du Stolz bist – ich jedenfalls finde, dazu hast du jeden Grund.

Seid ganz besonders sparsam mit ungefragten Ratschlägen und vertraut darauf, dass eure Kinder schon zu euch kommen wenn sie euch brauchen, oder sie euren Rat suchen. Überschüttet mich nicht mit Geschenken, denn die brauche ich noch gar nicht. Viel, viel wichtiger ist mir Liebe & Nähe, zu Menschen die es gut mit mir meinen, die meine Bedürfnisse sehen und ernst nehmen. Mich glücklich machen, ist ganz schön einfach oder?

Und bis es soweit ist, dass ich mit euch auf Entdeckungsreise gehen kann, nehmt ihr meinen Eltern soweit ihr das eben könnt, einfach ein paar Aufgaben ab. Liebe Oma, verwöhne Mama doch mit einem leckeren Mittagessen, so dass sie ohne Zeitdruck mit mir kuscheln kann. Lieber Opa, vielleicht braucht mein Papa Unterstützung und du kannst ihm zur Hand gehen, denn umso schneller ist er wieder bei mir und Mama! Seid bitte offen für Neues – ich bin sicher, ein Spaziergang mit Tragetuch würdet ihr sicherlich auch genießen!

Ich bitte euch deshalb, gebt Mama & Papa ein Stück Sicherheit. Ermutigt sie, ihren eigen Weg zu gehen. Seid für sie da, nehmt sie in den Arm und spart nicht mit Lob & guten Worten. Schickt ihnen all eure guten Gedanken, dass sie diese erste anstrengende, und doch so schöne Zeit mit mir genießen. Schließlich wisst ihr, wie schnell die Zeit vorbei geht und die eigenen Kinder plötzlich groß sind.

Ihr werdet gebraucht – sehr sogar. Von meinen Eltern, und ganz besonders auch von mir.

Liebevolle und zärtliche Großeltern, dass ist das was ich mir wünsche.

 


 

Hier könnt ihr den Brief als PDF ausdrucken:

Brief eines Neugeborenen an seine Großeltern

2 Kommentare zu “Ein „Brief“ an meine Großeltern

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