Eigentlich hatte ich mir vorgenommen, dir zu deinem 6. Geburtstag wieder einen Brief zu schreiben. So einen, den ich dir am Anfang unserer Tage monatlich geschrieben habe. Aber ich kann nicht warten, möchte auch nicht warten, weil ich es dir im Sekundentakt, und am liebsten der ganzen Welt da draußen zurufen würde: „Ich liebeeeeeee dich!“
Ich spüre sie noch heute, als deine kleinen, weichen Finger das erste mal meine Haut berührten. Als ich deinen süßen Babyduft das erste mal in meiner Nase einsog und wusste, diesen Geruch werde ich nie in meinem Leben vergessen. Ich wusste, diesen Geruch, diese Hände, deine Stimme würde ich mein Leben lang, unter 1000 Babys erkennen. Viele, viele Stunden haben wir seitdem aufeinander, aneinander, miteinander – Herz an Herz, und Hand in Hand verbracht. Wir hatten stürmische, wilde, aufregende Zeiten. Momente, die mir sicherlich die ein oder andere Falte in mein Gesicht gemalt hat.
So viele Tränen in den letzten Jahren. Mal meine & mal Deine. Manchmal war es Bauchweh, mal Verzweiflung wegen Schlaflosen Nächten. Manchmal waren es Tränen vor Sorgen und wohl am häufigsten aus Liebe. Ich kann dir gar nicht sagen, wie viele Nächte ich dir beim schlafen zugesehen habe, und mir dicke Kullertränen die Wangen herunterliefen, weil mein Herz überlief vor Glück.
Ja, durch dich habe ich vieles gelernt. Lieben & Leiden, und wie eng das alles bei einem Kind zusammenhängt. Durch dich bin ich weicher geworden, fühl mich manchmal als hättest du mich in einer Flasche Weichspüler gebadet, und Das genau das passieren kann, weiß ich auch, durch Dich. :-*
Mein Großer, das dir große Veränderungen bevorstehen, ich glaube das merkst du derzeit sehr deutlich. Du hast dich in vielerlei Hinsicht verändert. Du bist in den letzten Wochen so unglaublich selbstständig geworden, ganz ohne Druck meinerseits. Du sagst: „Du bist groß!“, und auch wenn du in meinem Herzen immer mein kleiner Goldschatz bleiben wirst, kann ich nur mitgehen. Es gibt kein Stehenbleiben, auch wenn ich manchmal gerne die Welt anhalten würde, nur um dir noch einen kleinen Moment zuzuschauen. Momente einfangen, konservieren, für immer festhalten. Ich kann nur genießen, jeden Moment mit dir, in der Gewissheit, dass die Zeit in der wir Hand in Hand durchs Leben laufen, auf einen Bruchteil unseres Lebens begrenzt ist.
Ich merke das du dich löst, das du dir deinen Weg suchst, und das ist gut so. Seit deiner Geburt unaufhaltsam. Während du mir wir vor gefühlt wenigen Wochen noch die Weintrauben laut quietschend um die Ohren geschmissen hast, weil du doch lieber Gummibärchen willst, sitzen wir heute am Tisch und du erzählst mir von deinem Tag. Von Abenteuern im Kindergarten, mit deinen Freunden, von deinem ersten Tag in der Vorschule. Du fragst ob du allein zum Brötchen holen gehen darfst, ob du über Nacht bei deinem Cousin bleiben kannst. Und weißt du, ich muss dieses Loslassen erst lernen.
Ich vertraue dir. Ich weiß das du gut für dich sorgen kannst. Das du weißt was du willst, oder eben nicht. Ich weiß, dass du mutig bist, ich kenne deinen Willen, deine Unerschrockenheit. Und doch weiß ich, dass es noch so viele Dinge gibt, die du nicht kennen kannst. Weißt du, die Welt ist nicht nur Gut, und es gibt Dinge von denen ich dich schützen will. Und trotzdem gestehe ich dir Freiheiten zu, weil ich weiß das es nicht anders geht. Das du selbst lernen musst, dass du selbst probieren & begreifen willst – ich hoffe, mit der Gewissheit das sich meine tröstenden Hände mein Leben lang, um dich legen wenn du mich brauchst.
Weißt du, gestern Nacht, dein Satz kurz vor dem Einschlafen, der ist der Auslöser für diesen Brief. Du sagtest: „Mama, du musst mir nicht ständig sagen, wie lieb du mich hast – ich weiß das doch. Das du mich liebst, das ist doch eingekratzt in meinem Herzen.“ – du glaubst gar nicht wie lange ich deshalb, glücklich – heulend über diesen Satz nachdachte und wie froh ich darüber bin. Er gibt mir die Gewissheit, dass du ihn dein Leben lang mit dir trägst. Das du weißt wo du sicher deinen Anker auswerfen kannst, wenn du von einem deiner Abenteuer zurückkehrst. Er gibt mir Sicherheit, und mir fällt es ein Stück weit leichter, dir deine Freiheiten einzuräumen.
Un während du davon ziehst, jeden Tag ein Stück weit wächst & hinauswächst, schaue ich dir nach, denke an dieses Baby, vor fast 6 Jahren, dass mit so einer Wucht auf diese Welt kam, wie du heute die Tür hinter dir zuknallst.
Ich denke an dein weiches Haar, deine wunderschönen blauen Augen und diese Wimpern die länger nicht sein konnten. Ich denke an dich, und sehe deinen Schalk im Nacken sitzen, sehe deine unbändige Lust am Leben. Ich sehe deine Verletzlichkeit, deinen vertrauensvollen, aber skeptischen Blick. Manchmal ernst, abwartend, und dann von einem Moment zum anderen, schmilzt dieser Blick, geht über in die pure Lebensfreude, ein Lachen das schöner nicht sein könnte.
Du winkst mir zu,
mit den gleichen Händen, die doch gestern erst meine Hand hielten.
Du Biegst um die Ecke, rufst mir zu: „Bis gleich, Mama!“
Meine Augen füllen sich mit Tränen,
Aber ich weiß, dass wir beide wissen:
„Herz an Herz – ein Leben lang.“
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